Als Liebhaber edler Objektive mit fester Brennweite will ich nicht den x-ten Artikel über Zoom vs. Festbrennweite verfassen. Das Thema langweilt mich – ödet mich förmlich an. Jedes Objektiv hat seine Liebhaber und ich bin kein Technology Evangelist. Die Vorteile von Zoomobjektiven liegen klar und deutlich auf der Hand, ebenso wie die Vorteile von Festbrennweiten uns geläufig sein sollten. Und alle haben sie doch ihre Fangemeinde, Menschen, die gern mit ihnen arbeiten und sich über sie freuen. Das redet man niemandem kaputt – wie auch!
Mein Arsenal an ZEISS Objektiven endet bei 135 Millimetern Brennweite, ich stand schon wieder kurz vor der Abfahrt zu einer längeren Fotoreise in die Schweiz, um an meinem Buch über Schweizer Berge und Alpenpässe weiter zu arbeiten, ein Thema, das mich inzwischen seit über ein Jahr intensiv beschäftigt. Zu diesem Zweck stellte mir Sony freundlicherweise das neue Tele-Zoomobjektiv 100-400mm F4.5-5.6 G-Master OSS zur Verfügung.
Objektiv ausgepackt, an die Kamera gesetzt, einige Probeaufnahmen gemacht und es stellte sich umgehend Begeisterung bei mir ein. Ich nehme das gleich vorweg, denn letzteres ist nicht selbstverständlich, bin ich doch immer ein wenig skeptisch und gebe mir und einem neuen Objektiv ein paar Tage bis Wochen Zeit zum gegenseitigen Kennenlernen. Ich wusste, es ist ein G-Master. Das G steht bei Sony für beste Qualität, geadelt mit einem Master – mehr geht da wohl nicht. Der Brennweitenbereich von 100 bis 400 Millimetern ist nahezu ideal – selbst in der Landschaftsfotografie an einer stabilisierten Sony A7RM2 mit 42 Megapixeln gibt das eine enorme Menge an Bildinformationen, wobei auch das Objektiv hervorragend stabilisiert ist. Ich hatte also allerbeste Voraussetzungen auch jenseits der gewohnten 135 Millimetern mit tollen Motiven wieder nach Berlin zurück zu kehren.
Um die Gravur „G-Master“ zu erhalten, braucht es schon einiges an Qualität und so wundert es wenig, dass das 100-400 sehr ordentlich gebaut ist. Das ist ein Objektiv für den robusten Alltag des Berufsfotografen. Es liegt mit nur 1.395 Gramm sehr gut und ausgewogen in der Hand und bietet dem Fotografen eine ganze Reihe an Annehmlichkeiten wie die Möglichkeit zur Fokusbegrenzung, der Wahl zwischen zwei Geschwindigkeiten den Autofokus einzustellen, der in dieser Klasse selbstverständlichen Umstelltaste von Manual- auf Autofokus, sowie einem zusätzlichen Zoomstufenregler, mittels dem man bestimmen kann, wie leicht oder schwer sich das Zoom bewegen lässt. Drei Fokushaltetasten im vorderen Bereich dienen zur Feststellung des gefundenen Schärfepunkts, die optische Stabilisierung lässt sich am Objektiv ein- und ausschalten. Eine Stativschelle ist in diesem Segment obligatorisch, wobei ich mich doch ein wenig verwundert, dass hier nicht gleich eine ARCA-Swiss Schiene verbaut ist, die man inzwischen jedoch für 100 Euro Aufpreis im Zubehörhandel erstehen kann.
Ein Vergleich mit seinen 70-400er Vorgängern hat mir inzwischen gezeigt, dass Sony beim 100-400 noch einmal deutlich draufgelegt hat. Der Autofokus ist deutlich schneller unterwegs und auch im Punkt Schärfe hat das Objektiv deutlich mehr zu bieten. Die Naheinstellgrenze wurde gegenüber den Vorgängern um ca. 1/3 reduziert und bietet nun mit 98 Zentimetern und einer maximalen Vergrößerung von 0,35 die Möglichkeit, „leichte“ Makros mit einem wunderbaren Bokeh aufzunehmen.
Über den gesamten Zoom- und Blendenbereich bietet das FE 100-400mm eine solide Schärfe, satte Farben und Kontraste. Durch seine 9 runden Blendenlamellen ist das Bokeh im Vorder- wie auch im Hintergrund sehr harmonisch. So lassen sich wunderschöne und teils traumhafte farbenprächtige Bilder realisieren. Dieses Bokeh in Verbindung mit der tollen Naheinstellgrenze ist für mich ein gewichtiges Argument für dieses Objektiv.
Doch auch bei Landschaftsaufnahmen ist ein längerer Brennweitenbereich nicht hoch genug einzuschätzen, denn so war es möglich, die spannende Staffelung der Berge ins Bild zu setzen. Nicht selten sind in den Graubündner Bergen die Motive einfach zu weit entfernt gewesen, dass gerade der Brennweitenbereich von 100-400 Millimetern hier sehr hilfreich war. Stimmt dann noch die optische Qualität, kommt wirkliche Freude auf. Etliche Aufnahmen entstanden aus der Hand heraus, doch oft arbeitete ich auch mit Stativ, gerade dann, wenn ich für hochwertige Aufnahmen auf einen niedrigen ISO-Wert aus war.
Durch die optische Stabilisierung des Objektivs, in Verbindung mit dem kamerainternen Steady-Shot, sowie dem herausragenden Sensor in meiner Sony A7RM2, kann ich heute mit einer Blendenöffnung von 4.5 bis 5.6 sehr gut leben. Immerhin erlaubt mir die Technik inzwischen Aufnahmen, die vor wenigen Jahren noch absolut unmöglich gewesen wären. Zudem ist das Objektiv mit einem Durchmesser von 93,9mm und einer eingefahrenen Länge von 205 Millimetern recht klein.
Rückblickend an meine Reise mit diesem Objektiv muss ich sagen, dass mir die Arbeit durchweg Spaß gemacht hat. Betrachte ich mir im Nachgang die Aufnahmen am Monitor, so bleibt doch ein Gefühl des unbedingt haben Wollens zurück. Das ist mir bei einem Zoomobjektiv noch nie passiert und ich bin mir inzwischen sicher, dass ich auch bei meiner nächsten Reise in die Schweiz ein FE 100-400 mit dabeihaben werde. Der Preis von 2.889 erscheint im ersten Moment hoch, ist in meinen Augen jedoch absolut gerechtfertigt, denn die damit zu erzielenden Bilder sind auf allerhöchstem Niveau. Ich meine sogar, dass das FE 100-400 über den gesamten Brennweitenbereich mit einer Festbrennweite durchaus mithalten kann. Das ist keine Selbstverständlichkeit, aber irgendwoher muss die G-Master Auszeichnung ja herkommen und den Preis rechtfertigen. Sony ist mit diesem Objektiv eine Meisterleistung gelungen und das sage ich als jemand, der sonst nur mit ZEISS Festbrennweiten unterwegs ist.